Die Geschichts-Route zwischen Herford und Bünde

Erlebnisbericht aus dem Wittekindsland

Auf dieser gut beschilderten Radrundtour fahrt ihr auf den Spuren der lokalen Tabakverarbeitung. Zwar war in der gesamten Region insbesondere die Zigarrenproduktion weit verbreitet, doch hat die Stadt Bünde daran wohl den größten Anteil gehabt. Zeitweise kam jede dritte in Deutschland gefertigte Zigarre aus der zweitgrößten Stadt im Kreisgebiet, was ihr den Beinamen „Zigarrenkiste Deutschlands“ bzw. „Zigarrenstadt“ einbrachte.

Hauptbahnhof und Holzhandwerksmuseum

Ihr startet am Hauptbahnhof im Stadtkern von Herford mit seinen historischen und kulturellen Sehenswürdigkeiten. Schnell ist der Stadtrand erreicht und die Tour führt durch das Naturschutzgebiet „Füllenbruch“ auf einer ehemaligen Kleinbahntrasse in Richtung Hiddenhausen. In einer der denkmalgeschützten Scheunen im Fachwerk-Ensemble des Gutes Hiddenhausen präsentiert das Holzhandwerksmuseum nicht nur Werkzeuge der Tabak-Kistenmacher, sondern versucht auch die handwerklichen Fähigkeiten vor dem Vergessen zu bewahren.

Die Balda-Kamerawerke und die Zigarrenfabrik Arnold André

In der Zigarrenindustrie gab es immer wieder Krisenzeiten, denen die Fabrikanten auf unterschiedlichste Art und Weise begegneten. Die Familie Grüter etwa unterstützte den in seiner Heimat Dresden enteigneten Kameraproduzenten Max Baldeweg. Gemeinsam wurden in einer alten Zigarrenfabrik im Innenstadtbereich von Bünde die Balda-Werke neu gegründet. Weiter geht es zum heute noch aktiven Familienunternehmen André, das als eine der traditionsreichsten Firmen der Branche bezeichnet werden kann. Obwohl mittlerweile die komplette Produktion verlagert wurde, stellt Bünde neben dem Sitz der Verwaltung auch das Logistikzentrum dar. Hier werden nach wie vor die fertigen Zigarren und Zigarillos verpackt und in den Handel gegeben.

Das deutsche Tabak- und Zigarrenmuseum und das „Steinmeister & Wellensiek“-Denkmal

Als nächstes erreicht ihr das deutsche Tabak- und Zigarrenmuseum. Bereits seit 1937 ist dem lange die Geschicke der Stadt prägenden Industriezweig ein Museum gewidmet. Erst kürzlich wurde es liebevoll modernisiert. 

Wir fahren weiter und passieren das Denkmal, das den Gründern der Firma Steinmeister & Wellensiek stellvertretend für die ehemals große Anzahl der Zigarrenproduzenten in der Stadt gewidmet wurde. Es greift die legendhafte Erzählung um „die 3 Wege des Töns Wellensiek“ auf, der zunächst zu Fuß, dann mit der gezeigten Schiebkarre und schließlich einem Fuhrwerk den Rohtabak aus Bremen geholt haben soll.

Bei der Durchfahrung der Innenstadt kann man ideal in einer der zahlreichen Gaststätten einkehren oder aber noch einen Einkaufsbummel unternehmen.

Der Tabakspeicher und das Zollamt

Die nächste Station auf eurer Tour ist der Tabakspeicher. In den 1860er Jahren richtete die Firma Leopold Engelhardt & Biermann aus Bremen einen Zweigbetrieb in Bünde direkt gegenüber dem Bahnhof ein, zu der sich ab 1896 auch noch das bis heute erhaltene Speichergebäude gesellte. Im Stil hanseatischer Bauwerke steht der Ziegelkoloss seit 1986 unter Denkmalschutz und dient seither der Stadt Bünde – aber auch der Zigarren-Firma André als Lagerraum.

Schlicht als „Zollamt“ bezeichnen die Einwohner der Zigarrenstadt die Zentrale Steuerzeichenstelle Bünde, die mittlerweile für die Vereinnahmung und Verwaltung des gesamten bundesdeutschen Aufkommens an Steuern auf Tabakprodukte zuständig ist. Rein rechnerisch gehen hier mehr als 14 Milliarden Euro jährlich „über den Tresen“. Ein Tresen, der ursprünglich für gastronomische Zwecke errichtet wurde. Carl Kreibohm betrieb in dem schmucken Gebäude unter dem Namen „Zum großen Kurfürsten“ ein Restaurant mit Hotel, ehe 1930 die Steuerverwaltung einzog.

Der Steinmeisterpark und die Fabrikanten-Villen

Die nächste Station führt euch ans Wasser: In Erinnerung an die Verdienste der Tabak-Familie Steinmeister wurden Grundstücke von ihnen als Parkanlage hergerichtet und auf ihren Namen getauft. Der große zentrale Teich diente einst als eines von insgesamt 59 Bassins der „Bünder Fischzuchtanstalt“ als Aufzucht-Becken für Besatzfische. Auch die beiden kugeligen Fischskulpturen am Rande des Teiches sollen an dieses „Hobby“ von August Steinmeister Junior erinnern.

Während der Steinmeister-Park den Garten darstellt, sind die beiden Villen an der Eschstraße 43 und 45 die dazugehörigen „Einfamilienhäuser“. Erbauer war jeweils ein August Steinmeister: Unter Nummer 43 der Fische züchtende Erstgeborene, rechts daneben der bereits 1874 verstorbene Vater. Diese Gebäude sind Beispiele für die „goldene Zeit“ in Bünde, denn direkt gegenüber und an der parallelen Hindenburgstraße sind eine ganze Reihe weiterer prächtiger Villen erhalten.

EMR-Kraftwerk, die Brausemühle und die Köln-Mindener Eisenbahn

Noch bevor ein einheitliches Stromnetz jedes Gebäude der Region mit der heute unabdingbaren Energiequelle versorgte, war es oft der Initiative von größeren Unternehmen oder Einzelpersonen zu verdanken, dass erste Energiegewinnungsanlagen errichtet wurden. Müller Schürmann begann 1902 an der Brausemühle mit der Produktion seines Gleichstroms, den er an die benachbarten Ortschaften Süd- und Kirchlengern abgab. Doch schon knapp ein Jahrzehnt später hatte der kommunale Energieversorger EMR (Elektrizitätswerk Minden Ravensberg) mit dem eigenen Kraftwerk auf der gegenüberliegenden Seite der Else seinen Betrieb aufgenommen, mit dem Schürmann auf Dauer nicht konkurrieren konnte.

Die vorletzte Station auf eurer Strecke ist die Eisenbahn: Es gab eine Reihe von Gründen – sowohl wirtschaftliche als auch militärische – die zum Bau der Eisenbahnlinie zwischen Köln und Minden führten. Wie alle Anrainer profitierte auch der Kreis Herford, nachdem 1847 der durchgehende Betrieb aufgenommen worden war, in wirtschaftlicher Hinsicht von der gut 260 Kilometer langen Strecke. Wichtige Absatzmärkte für die Zigarrenfabriken im Ruhrgebiet, um Hannover herum und später in Berlin kamen in greifbare Nähe – ebenso wie die Hauptumschlagplätze für den Rohstoff Tabak in den großen Seehäfen.

Hauptbahnhof am historischen Stadtkern von Herford

Immer weiter an der Werre entlang endet die Tour wieder am Ausgangspunkt Hauptbahnhof Herford. Ganz in der Nähe befindet sich das Marta-Museum. Auf der Rückseite des Gebäudes lädt ein Café mit einer Terrasse, die über das Flüsschen Aa ragt, dazu ein, den Tag gemütlich ausklingen zu lassen.

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Paderborner Land

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Radfahren im Wittekindsland

 

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